
Verfassungsschutz-Gutachten
AfD und Beamtenstatus: Wann wird’s für Staatsdiener gefährlich?
Wenige Tage vor der Amtsübergabe hatte die damalige Bundesinnenministerin Faeser ein Verfassungsschutz-Gutachten vorgelegt, das die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ einstufte. Wenige Tage nach Amstübernahme relativierte ihr Nachfolger Dobrindt das AfD-Gutachten wieder. Er sprach dem Papier jegliche Eignung für ein mögliches Parteiverbotsverfahren ab. Wörtlich sagte der Minister: “Für ein Verbotsverfahren ist dieses Gutachten nicht ausreichend.“ Vor dem Verwaltungsgericht Köln läuft zudem eine Klage der AfD gegen die Hochstufung. Sollte das Gericht die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ zulassen, hätte das keine direkten Auswirkungen auf Beamtinnen und Beamte in deutschen Rathäusern. Sehr wohl aber indirekte, wie Rechtsanwältin Kristina Gottschalk im folgenden Gastbeitrag erläutert.
Wie politisch ist der Beamtenstatus wirklich?
Beamtinnen und Beamte sind als Staatsdiener zur Verfassungstreue verpflichtet. Sie haben im Rahmen ihres dienstlichen und außerdienstlichen Verhaltens für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzustehen und sich aktiv für sie einzusetzen. Zu den Grundpfeilern der freiheitlich demokratischen Grundordnung zählen dabei die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Das verträgt sich jedoch nicht mit einer Partei, in der nach den Beurteilungen des Bundesamts für Verfassungsschutz ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis herrscht. Dieses Volksverständnis sei mit der Menschenwürde und damit mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Zudem herrsche in der Partei eine demokratiefeindliche Grundhaltung und das staatliche Gewaltmonopol werde missachtet.
Parteimitglied? Na und? Warum eine Mitgliedschaft (noch) kein Rauswurf ist
Gleichwohl führt diese jüngste Einstufung durch das Bundesverfassungsamt nicht automatisch dazu, dass AfD-Parteimitglieder aus dem Beamtenverhältnis auszuschließen sind. Allerdings ist die Parteimitgliedschaft ein Indiz fehlender Verfassungstreue und zwingt den Dienstherren zum Handeln. Er muss entsprechenden Hinweisen nachgehen und weiter aufklären, ob das Verhalten der Beamtinnen und Beamten im Einzelfall als Dienstpflichtverletzung zu werten ist. Sofern tatsächliche Anhaltspunkte für ein solches Dienstvergehen vorliegen, ist der Sachverhalt im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu ermitteln und zu bewerten.
Ob tatsächlich ein Dienstvergehen vorliegt, das sogar mit einer Entlassung als disziplinarische Höchstmaßnahme geahndet werden muss, ist anhand einer Einzelfallentscheidung unter Würdigung der Gesamtumstände zu treffen. Dabei hat der Dienstherr das dienstliche und außerdienstliche Verhalten der Beamtin oder des Beamten zugrunde zu legen.
Wann aus einer Meinung ein Dienstvergehen wird
Um die Frage zu beantworten, ob Beamten fehlende Verfassungstreue vorzuwerfen ist, kann etwa auf die politischen Aktivitäten innerhalb der Partei abgestellt werden. Nimmt sie oder er eine besonders aktive Rolle in der AfD ein? Kandidiert sie oder er für Parteiämter? Strebt sie oder er nach besonderen Funktionen innerhalb der AfD? Aus dem Handeln und Wirken muss hervorgehen, dass die oder der Betroffene sich nicht mit den Werten der freiheitlich demokratischen Grundordnung identifiziert.
Wie Online-Aktivitäten zur Karrierefalle werden können
Von Bedeutung sind aber nicht nur Aktivitäten im Zusammenhang mit der AfD als Partei, sondern etwa auch das mögliche Tätigwerden der Beamten für verfassungsfeindliche Organisationen. Auch das Verteilen von Flugblättern mit verfassungsfeindlichem Inhalt oder die Teilnahme an einschlägigen Demonstrationen sind bei der Beurteilung des Einzelfalls zu berücksichtigen. In jüngster Zeit haben Posts mit kritischen Inhalten in den sozialen Medien immer wieder zu dienstrechtliche Ermittlungen geführt. Das Gleiche gilt bereits für die bloße Mitgliedschaft in Gruppenchats, in denen Inhalte geteilt werden, die gegen die Grundwerte der Verfassung verstoßen.
All diese Aktivitäten können Hinweise auf die fehlende Verfassungstreue des Beamten sein. Für den Dienstherrn hat dies zur Folge, dass er verpflichtet ist, Ermittlungen einzuleiten. Sollte er dies nicht tun, stellt dies ebenfalls ein Dienstvergehen dar, was wiederum disziplinarrechtliche Folgen für ihn selbst nach sich ziehen kann. Unabhängig davon gilt aber: Der Gesetzgeber hat Behörden die nötigen Mittel an die Hand gegeben, um mutig gegen Verfassungsfeinde in den eigenen Reihen vorzugehen.
Dienstherren in der Pflicht – Wegsehen ist keine Option
Die Ermittlungspflicht gilt unabhängig von der Frage, ob auch ein Verbotsverfahren gegen die AfD eingeleitet wird. Disziplinarmaßnahmen wie etwa Entlassungen aus dem Beamtenverhältnis sind unabhängig davon möglich. Das sogenannte Parteienprivileg gemäß Art. 21 des Grundgesetzes gilt nur für die Parteien und hat keinen Einfluss auf die Frage, ob der Einzelne die Pflicht zur Verfassungstreue verletzt.
Wesentlich niedriger sind die Hürden, um Kandidaten auszuschließen, die sich erst auf eine Beamtenstelle bewerben. Bewerber können schon dann aus dem Auswahlverfahren ausgeschlossen werden, wenn ihnen die charakterliche Eignung fehlt, also zweifelhaft ist, ob sie nach Begründung des Beamtenverhältnisses jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG).
Wer darf überhaupt Beamter werden? Warum bei Einstellungen andere Regeln gelten
Die Einstellungsbehörde hat im Rahmen des Stellenbesetzungsverfahrens eine entsprechende Prognoseentscheidung zu treffen. Da noch kein Dienstverhältnis begründet wurde, es ist auch noch nicht erforderlich, den Bewerbern ein konkretes Dienstvergehen nachzuweisen. Allerdings reicht auch hier die bloße Parteimitgliedschaft oder das Haben einer Überzeugung für sich genommen nicht aus, um eine Bewerbung abzulehnen. Darüber hinaus muss der Dienstherr im jeweiligen Einzelfall die für und gegen die Bewerber sprechenden Umstände ihrer Persönlichkeit ermitteln und umfassend würdigen. Auch hier kann das bisherige außerdienstliche Verhalten in den Blick genommen werden. Nur wenn festgestellt werden kann, dass Bewerberinnen oder Bewerber die Ziele einer verfassungsfeindlichen Partei uneingeschränkt unterstützen und bereits sind, sich für deren Ziele einzusetzen, kann eine Bewerbung abgelehnt werden.
Fazit: Wer den Staat vertreten will, muss ihn auch tragen
Den Betroffenen ist es dabei gestattet, an der Aufklärung mitzuwirken und Umstände darzulegen, die für die Beurteilung ihrer Verfassungstreue relevant sein könnten. Eine Pflicht zur Anhörung besteht jedoch nicht. Das letzte Wort hat dann der Dienstherr: Er trifft eine Prognoseentscheidung dahingehend, ob von dem Bewerber zukünftig ein verfassungstreues Verhalten zu erwarten ist. Daher ist den Dienstherrn zu empfehlen, bei Bewerbungen ganz genau hinzuschauen.