
Reform gefordert
Spitzenjob: Ehrenamtliche Bürgermeister
Die Bürgermeisterin steht mit beiden Beinen fest auf der Erde, sie trägt ein Blumenkleid und hat die Arme weit ausgebreitet. Ihre roten Haare leuchten, mit großen Augen und einem breiten Lächeln schaut sie einem entgegen. Das Bild hat ein Kind gemalt – und es zeigt Bettina Danner. Seit bald fünf Jahren ist sie die erste Frau in der kleinen niederbayerischen Gemeinde Biburg – und das ehrenamtlich. „Ich bin mit Leib und Seele Bürgermeisterin“, sagt die 58-Jährige. „Das ist weit mehr als ein Teilzeitjob, wie die Bezeichnung Ehrenamt vermuten lassen könnte. Ich bin voll ausgelastet.“
Ehrenamtliche Bürgermeister gesucht
In Deutschland sind die meisten der gewählten Bürgermeister ehrenamtlich tätig. Eine Aufgabe, die neben dem Beruf viel verlangt. Damit sie ihr Amt verantwortungsvoll ausüben können, ohne sich massiv zu übernehmen, haben 45 Prozent ihren Hauptberuf zugunsten des Ehrenamts reduziert, wie eine Studie zeigt. 27 Prozent der befragten ehrenamtlichen Bürgermeister gaben an, nicht berufstätig zu sein, die meisten von ihnen sind Rentner oder Rentnerinnen. Die ersten zwei Jahre im Amt hat Bettina Danner weiterhin in ihrem Beruf als medizinische Fachangestellte gearbeitet. Dann hat sie beschlossen, sich nur noch auf das Bürgermeisteramt zu konzentrieren. „Seitdem atme ich wieder leichter“, sagt sie.
Das Bürgermeisteramt sollte grundsätzlich als hauptamtliche Tätigkeit betrachtet werden.“
Weil die Aufgaben immer mehr werden und Bürgermeister und Bürgermeisterinnen häufig als Buhmänner und Buhfrauen für die Unzufriedenheit mit der Politik in Berlin herhalten müssen, wird es zunehmend schwieriger, die lokalen Spitzenämter zu besetzen. Vielerorts diskutieren Gemeinderäte deshalb darüber, ob sie über eine Satzungsänderung aus dem Ehrenamt einen Hauptberuf machen – sofern die Einwohnerzahlen den Spielraum dafür hergeben.
Bayern: Hauptamtliches Bürgermeisteramt ab 2.500 Einwohnern möglich
Der Freistaat Bayern hat 2023 die Grenzen für eine hauptamtliche Tätigkeit im Kommunalrecht herabgesetzt. Das Bürgermeisteramt darf seither bereits in Gemeinden ab 2.500 Einwohnern bereits hauptamtlich ausgeübt werden. Früher war das erst ab 5.000 Einwohnern erlaubt. „Damit sollen kommunale Ämter attraktiver und familienfreundlicher gemacht werden, insbesondere auch für Frauen“, begründete Innen- und Kommunalminister Joachim Herrmann die Änderung.
Im bayerischen Biburg war der Bürgermeister schon immer ein „Ehrenamtler“. Beim KOMMUNAL-Besuch in der 1.400-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Kelheim wird schnell klar: Die Bürgermeisterin hat keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um sich. „Die Gemeindekanzlei, das ist eine One-Woman-Show“, sagt Bettina Danner und deutet auf den einzigen Schreibtisch. Dort ist alles, was sie braucht: Laptop, ein Telefon, hinter ihr der Kopierer. „Wer etwas auf dem Herzen hat, wem beim Vorbeigehen eine Frage einfällt, der kann einfach kommen, ohne Termin“, erzählt sie. Politisch ist die Gemeinde eigenständig, der 13-köpfige Gemeinderat fasst die Beschlüsse, die Verwaltungsaufgaben erledigt die Marktgemeinde Siegenburg. Biburg ist Teil einer Verwaltungsgemeinschaft. Bettina Danner teilt sich im dortigen Rathaus einen Raum mit fünf Bürgermeisterkollegen.
Aufwandsentschädigung höchst unterschiedlich je nach Bundesland
Ehrenamtliche Bürgermeister erhalten eine Aufwandsentschädigung, kein Gehalt. Die Beträge variieren je nach Bundesland und Gemeindegröße stark. In den bayerischen Gemeinden liegt die monatliche Aufwandsentschädigung zwischen maximal 3.731 Euro (bis 1.000 Einwohner) und 6.888 Euro (mehr als 5.000 Einwohner), in Mecklenburg-Vorpommern dagegen erhalten ehrenamtliche Bürgermeister zwischen maximal 840 Euro (bis 500 Einwohner) und höchstens 3.600 Euro (mehr als 5.000 Einwohner). Mehrere Bundesländer haben die Aufwandsentschädigung in den vergangenen Jahren erhöht, Mecklenburg-Vorpommern zuletzt um 20 Prozent. Auch die hauptamtlichen Bürgermeister bekommen dort seit den Kommunalwahlen 2024 mehr Geld für ihre Tätigkeit. Bürgermeister in Städten wie Waren oder Neustrelitz wurden bis dahin nach der Besoldungsgruppe B3 bezahlt – sie stiegen 2023 in die Gruppe B4 auf - mit einem Grundgehalt von derzeit 9.612,97 Euro.
„In der öffentlichen Diskussion gibt es immer wieder Stimmen, die infrage stellen, ob eine Aufwandsentschädigung mit dem Ehrenamt vereinbar ist“, sagt Biburgs 1. Bürgermeisterin Danner. „Manche Bürger äußern Unverständnis darüber, dass für eine ehrenamtliche Tätigkeit überhaupt eine finanzielle Vergütung gezahlt wird. Ich halte es jedoch für essenziell, darauf hinzuweisen, dass das Amt einer Bürgermeisterin, auch wenn es formal als Ehrenamt gilt, mit enormen zeitlichen und persönlichen Verpflichtungen verbunden ist.“ Sie betont: „Dieses Amt sollte grundsätzlich als hauptamtliche Tätigkeit betrachtet und entsprechend finanziell honoriert werden.“ Bettina Danner bekommt rund 4.700 Euro brutto im Monat für Ihr „Vollzeit-Ehrenamt“.
Nur wenige Kilometer von Biburg entfernt ist Birgit Steinsdorfer in Rohr hauptberuflich als 1. Bürgermeisterin tätig. Und das findet sie auch richtig. Denn in der Marktgemeinde mit ihren 3.480 Einwohnern ist viel zu tun: „Auch wenn wir eine kleine Gemeinde sind, haben wir viele Angebote für Bürger und Bürgerinnen“, sagt sie. „Diese Infrastruktur wird sehr geschätzt, macht aber auch Arbeit.“ Rohr hat zwei Kindergärten, eine Kinderkrippe, eine Grundschule und betreibt ein Freibad. Auch ein Gymnasium ist am Ort. Bislang wurde es von den Benediktinern geführt, doch nun zieht sich der Orden von dieser Aufgabe zurück. Bürgermeisterin Steinsdorfer hat aber erreicht, dass das Gymnasium gerettet ist und künftig staatlich geführt wird.
Bürgermeisterin von Rohr in Niederbayern
Vor ihrem hauptberuflichen Bürgermeisteramt hat Birgit Steinsdorfer im Betrieb ihres Mannes mitgearbeitet. Die 53-Jährige ist gelernte Krankenschwester und umsorgt nun ihre Heimatgemeinde. Hat sie als hauptamtliche Bürgermeisterin Urlaub? „Hätte man“, sagt Birgit Steinsdorfer. „Den habe ich aber noch in keinem Jahr ausgeschöpft.“
Die Aufgaben sind für ehrenamtliche Bürgermeister
einfach zu vielfältig geworden.“
Die hauptamtliche Bürgermeisterin bekommt 6.100 Euro brutto, eingestuft nach A15. Auch Birgit Steinsdorfer plädiert dafür, Bürgermeisterposten möglichst hauptamtlich zu besetzen. „Die Aufgaben sind einfach zu vielfältig geworden“, sagt sie.
Seehausen am Staffelsee: Gemeinderat gegen hauptamtliche Tätigkeit
Es ist eine Diskussion wert, ob sich das Ehrenamt von Bürgermeistern überlebt hat."
Hauptamtliche Bürgermeister sind für eine Gemeinde teurer. Denn als Wahlbeamte auf Zeit sind sie zudem im Alter besser abgesichert. In Seehausen am Staffelsee kämpft Markus Hörmann auch deshalb seit Jahren dafür, dass aus seinem Amt ein hauptamtliches wird. Seit 23 Jahren engagiert sich der Dipl. Geologe und Teilhaber einer Umwelttechnik-Firma für die oberbayerische 2.500-Einwohner-Gemeinde, war zunächst stellvertretender Bürgermeister, seit 17 Jahren steht er ganz vorne. Der Urlaubsort Seehausen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ist für viele ist ein begehrter Wohnort, die Grundstückspreise sind im Speckgürtel der Metropolregion München mittlerweile auf Starnberger Niveau geklettert. Das schafft spezielle Probleme. So können sich junge Familien kein Bauland mehr leisten.
Ehrensold als Altersabsicherung
„Wir Ehrenamtliche sind im Alter lediglich durch einen Ehrensold abgesichert, der weit unter der Altersabsicherung eines Hauptamtlichen liegt“, sagt Hörmann. Er hält die fehlende Altersversorgung im Ehrenamt für falsch, weil die Aufgabe es erfordere, sich voll und ganz zu konzentrieren. „Bürgermeister zu sein, ist auch in einem kleineren Ort eine Riesenherausforderung geworden“, sagt er. „Wer Vollzeit tätig ist, braucht eine ausreichende Absicherung im Alter, um die derzeit mehr als 30 Stunden pro Woche für die Gemeinde leisten zu können.“ Vor allem im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Kommunalamt müsse es eine sinnvolle Lösung geben. „Es ist eine Diskussion wert, ob sich das Ehrenamt von Bürgermeistern überlebt hat.“
Markus Hörmann weiß noch nicht, ob er bei den Kommunalwahlen im März nächsten Jahres erneut antreten wird. Der Gemeinderat hat sich jüngst mehrheitlich dafür entschieden, es doch beim ehrenamtlichen Bürgermeister zu belassen.