
Studie
Anspruch auf Ganztagbetreuung: 100.000 Fachkräfte fehlen
Eine Förderung von acht Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche – so sieht der von der Politik beschlossene Rechtsanspruch für Grundschulkinder aus. Darin enthalten ist die Zeit, in der unterrichtet wird. Bundestag und Bundesrat haben dem Vorhaben als Kompromisslösung zugestimmt. Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat war erreicht worden, dass der Bund nicht nur Finanzhilfen für die neu zu schaffenden Plätze gibt, sondern auch für die bereits bestehenden Betreuungsplätze. Der Bund stellt den Ländern danach für den Ausbau der Ganztagsbetreuung an den Grundschulen bis zu 3,5 Milliarden Euro bereit. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung tritt zum 1. August 2026 in Kraft. Er gilt zunächst für Grundschulkinder der ersten Klassenstufe und wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet. Damit hat ab dem 1. August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen eins bis vier einen Anspruch auf ganztägige Betreuung.
Ganztagsbetreuung: Fachkräfte-Radar
Doch wer soll sich um die Kinder dann tatsächlich kümmern? Schon jetzt fehlt Personal und die Lücke wird in den nächsten Jahren erheblich größer. Die BertelsmannStiftung hat jetzt eine Studie vorlegt, wonach für eine flächendeckende und personell gut ausgestattete Ganztagsförderung bis 2030 insgesamt über 100.000 pädagogische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mehr benötigt werden, als voraussichtlich zur Verfügung stehen. Der neue "Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule 2022" zeigt, dass die Bundesländer sind sehr unterschiedlich darauf vorbereite sind, den Rechtsanspruch zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter umzusetzen.
Das wird an Personal benötigt
- Die ostdeutschen Länder können laut Studie bis 2030 jedem Kind einen Ganztagsplatz bieten und sollten sich auf Qualitätsverbesserungen konzentrieren. Die Experten empfehlen – über den Rechtsanspruch hinaus – die ostdeutschen Schulen und Horte mit so viel Personal auszustatten, dass sie die bessere Personalausstattung im Westen erreichen. Dafür wären zusätzlich 26.000 Fachkräfte erforderlich.
- Für die Personalausstattung legt der Rechtsanspruch keine bundeseinheitlichen Standards fest, doch die Unterschiede sind gravierend: Während die Horte in Westdeutschland einen Personalschlüssel von 1 zu 6 aufweisen, liegt dieser im Osten bei 1 zu 14. Eine Vollzeit-Fachkraft in Ostdeutschland muss also – rechnerisch – mehr als doppelt so viele Kinder betreuen, wie in einem westdeutschen Hort. Lediglich in Berlin und Thüringen werden nach derzeitigem Stand genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, um die Personalausstattung bis Ende des Jahrzehnts an den Westen anzugleichen.
- Wenn in den westdeutschen Bundesländern jedes Grundschulkind bis 2030 ein Ganztagsangebot erhalten soll, müssen über eine Million Plätze zusätzlich geschaffen werden. Dafür sind 76.000 Fachkräfte mehr notwendig, als bis dahin zur Verfügung stehen.
- Die ostdeutschen Bundesländer erfüllen für die Mehrheit der Grundschulkinder bereits den Rechtsanspruch auf eine ganztägige Betreuung – durchschnittlich 83 Prozent nutzen ein Ganztagsangebot sowie 3,5 Prozent ein Übermittagsangebot, das bis ungefähr 14.30 Uhr zur Verfügung steht.
- In den westdeutschen Bundesländern liegt die Teilhabequote im Schnitt nur bei 47 Prozent. Zudem besuchen hier 18 Prozent der Kinder im Grundschulalter ein Übermittagsangebot.
Eine lückenhafte und zudem uneinheitliche Datengrundlage für die schulischen Ganztagsangebote erschwere eine umfassende Bestandsaufnahme, beklagen die Experten. Das Ausmaß des Personalmangels werde mit Blick auf die Ergebnisse der ersten Ausgabe des Fachkräfte-Radars aus dem August 2021 noch deutlicher: Die Studie ermittelte, dass im Kita-Bereich bis 2030 rund 230.000 pädagogische Beschäftigte fehlen werden.
Die Ergebnisse Studie als PDF.
Interaktive Karte zu Daten in jedem Bundesland.
Informationen der Bundesregierung zum beschlossenen Rechtsanspruch.