
Schulbeginn
Meidinger: Bei Digitalausstattung Vollgas geben
Wie wird der Schulbeginn in den einzelnen Bundesländern aussehen? Sind die Schulen auf alle Eventualitäten und möglichen Infektionsszenarien vorbereitet? Welche Aufgaben sind von Schulleitungen, den Schulträgern sowie von Bund und Ländern bis zum Herbst noch zu erledigen?
Das Infektionsgeschehen nach Schulbeginn ist nicht absehbar
Das sind die großen Fragen, die sich die Betroffenen, also vor allem Eltern, Schulkinder und Lehrkräfte gerade stellen, - Fragen, auf die es allerdings keine einfachen und allgemeingültigen Antworten gibt. Die Beantwortung hängt nämlich sehr stark von der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens ab, die derzeit niemand absehen kann. Wird es durch Reiserückkehrer aus Risikogebieten eine zweite Infektionswelle geben oder bleiben die Neuinfektionen insbesondere unter Kinder und Jugendlichen weiterhin sehr gering, was wir natürlich alle hoffen?
Die Hauptlehre aus dieser großen Unsicherheit muss lauten: Unsere Schulen und die dafür verantwortlichen Ministerien, Schulbehörden, Schulleitungen und Sachaufwandsträger müssen auf verschiedene mögliche Szenarien vorbereitet sein.
Erstes Szenario: Der vollständige Unterrichtsbetrieb ist möglich
Szenario 1, auf das sich die Kultusministerkonferenz als wünschenswertes Ziel festgelegt hat, will einen weitgehend vollständigen Unterrichtsbetrieb in vollen Klassenräumen ohne feste Abstandshaltung ermöglichen. In diesem Fall müsste das Abstandsgebot, das bisherige Rückgrat der schulischen Hygieneschutzkonzepte, ersetzt werden durch alternative Maßnahmen zum Gesundheitsschutz von Kindern und Lehrkräften.
Da geht es dann etwa um die organisatorische Isolierung von Lerngruppen und Klassen voneinander, auch in den Pausenzeiten, praktikable Lüftungskonzepte, gegebenenfalls durch Beschaffung mobile Ventilatoren, und auch über eine Maskenpflicht nicht nur auf den Verkehrsflächen der Schule, sondern auch im Unterricht, wie sie Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland für das neue Schuljahr bei älteren Schülern und Lehrkräften eingeführt hat, müsste ernsthaft nachgedacht werden.
In den Aufgabenbereich der Schulträger fällt unter anderem der angemessene Zustand der sanitären Anlagen, die Bereitstellung der Desinfektionsmittel sowie die Sicherstellung regelmäßiger gründlicher Reinigungszyklen. Auch der Gesundheitsschutz bei der Schulwegbeförderung und die eventuell notwendige Aufstockung der Beförderungskapazitäten bei dann wieder vollständigem Unterrichtsbesuch fällt meist in den Verantwortungsbereich der Kommunen, Städte und Landkreise.
Für die durch die Wiederaufnahme des Unterrichts mit vollen Klassen notwendigen neuen Pausenpläne, Corona-Hausordnungen, die Einhaltung des Maskengebots und die erforderlichen Einbahn-Wegsysteme im Schulgebäude sind die Schulleitungen zuständig. Für die allgemeinen Vorgaben für den Hygieneschutz ist das jeweilige Schulministerium zuständig,- wichtig ist aber, dass die Einzelschule abhängig von der Lage vor Ort, auch imstande ist, diese Vorgaben in die Praxis umzusetzen.
Zweites Szenario: Wechselbetrieb zwischen Distanz- und Präsenzunterricht
Allerdings gilt es, sich gleichermaßen auch mit Hochdruck optimal auf das Szenario 2 vorzubereiten, also den Fall, dass wegen erhöhter Infektionszahlen in manchen Bundesländern wieder in den Wechselbetrieb zwischen Distanz- und Präsenzunterricht umgeschaltet werden muss. Da rächt sich jetzt, dass die Umsetzung des Digitalpakts so ewig lang gedauert hat und ein richtiggehendes Bürokratiemonster geworden ist.
Aufgrund der erst Mitte letzten Jahres unterzeichneten Bund-Länder-Vereinbarung mussten in allen Ländern nochmals die Förderrichtlinien für die Antragstellung angepasst oder neu erarbeitet werden. In vielen Fällen sind auch zeitaufwändige europaweite Ausschreibungen notwendig. Trotzdem halten wir es vom Lehrerverband für skandalös, dass bis jetzt nur ein kleiner Teil der Digitalpaktmittel an den Schulen angekommen ist. Das ist nicht in erster Linie Schuld der Kommunen, aber wir würden uns trotzdem wünschen, dass bis Ende des Jahres von allen Beteiligten Vollgas gegeben wird bei der Modernisierung und Nachrüstung der digitalen IT-Struktur unserer Schulen.
Ohne Breitbandanschlüsse, Glasfaser, komplette Wlan-Ausleuchtung und entsprechende Endgeräte werden Lehrkräfte und Schüler auch für eine eventuell nochmals notwendige „Homeschooling“ Phase wiederum schlechte Rahmenbedingungen vorfinden. Noch nicht befriedigend gelöst ist auch die professionelle Betreuung dieser Systeme durch entsprechendes außerschulisches Personal, auch wenn hier eine Beteiligung von Bund und Ländern an den Kosten nicht mehr ausgeschlossen wird.
Schüler müssen für das neue Schuljahr mit Computern versorgt sein
Eine deutliche Verbesserung der Versorgung von bedürftigen Schülern mit Computer-Leihgeräten für Zuhause versprechen wir uns vom Sofortausstattungsprogramm des Bundes und der Länder als Zusatz zum Digitalpakt in Höhe von 500 Millionen Euro. Für die Beschaffung sind die Schulträger verantwortlich, für die Verteilung und die Bedarfsanalyse die jeweiligen Schulleitungen. Der Deutsche Lehrerverband hofft, dass ab Herbst in allen Bundesländern die Endgeräte beschafft sind und zur Ausleihe zur Verfügung stehen. Damit wäre eine große Schwachstelle des bisherigen digitalen Distanzunterrichts beseitigt, nämlich die Unmöglichkeit in der Vergangenheit, bis zu einem Viertel der Schüler zu erreichen, da kein entsprechende Endgerät im elterlichen Haushalt zur Verfügung stand.
Es bedarf sehr großer Anstrengungen aller für die Verwaltung und Finanzierung von Schulen zuständigen Stellen, um weiterhin die notwendige Balance zu halten zwischen größtmöglichem Gesundheitsschutz und möglichst umfassendem Unterrichtsangebot. Ein nochmaliger Lockdown sollte unter allen Umständen vermieden werden!
Heinz-Peter Meidinger ist seit 2017 Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Der Verband vertritt nach eigenen Angaben die Interessen von 165.000 Lehrern.